Drei Millionen Menschen sahen es, doch an Ken Jebsens Corona-Video ist alles falsch
Deutschland, Baden-Württemberg, Stuttgart, 09.05.2020: Ken Jebsen, Webvideoproduzent und Aktivist bei seinem kurzen Auft
imago images/Arnulf HettrichAn Ken Jebsens Corona-Video ist alles falsch.
FOCUS-Online-Redakteurin Lena Glöckner
Montag, 11.05.2020, 22:18
Drei Millionen Aufrufe hat das YouTube-Video „Gates kapert Deutschland!“ von Ken Jebsen inzwischen. Aber pure Reichweite macht aus Lügen noch lange nicht die Wahrheit. Denn Ken Jebsens Behauptungen zu einer Gates-Verschwörung, der Impfpflicht und angeblichen Verhaftungen bei Demonstrationen sind faktenloser Unsinn.
Tausende Menschen haben in den vergangenen Tagen in vielen Städten Deutschlands gegen die Beschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens im Kampf gegen die Corona-Pandemie demonstriert. Die geltenden Abstandsregeln wurden oft missachtet, Schutzmasken nicht getragen. Unter den Teilnehmern mischten sich unter anderem auch Verschwörungstheoretiker, Impfgegner sowie Rechts- und Linksextreme. Eine Art Vordenker ist für viele von ihnen Ken Jebsen.
Jebsen war Radiomoderator beim RBB, bis er 2011 nach einer Bemerkung über den Holocaust entlassen wurde. Er sagte damals: "Ich weiß, wer den Holocaust als PR erfunden hat." Seitdem macht er seine eigenen "Nachrichten". Auf dem YouTube-Kanal "KenFM" teilt er seit Jahren Videos mit verschwörungstheoretischen Inhalten. So auch das Video „Gates kapert Deutschland!“. Darin verbeitet Jebsen Theorien zu einer Gates-Verschwörung, der Impfpflicht und angeblichen Verhaftungen bei Hygiene-Demos.
Erste Behauptung: Bill Gates hat die WHO gekauft
Jebsen behauptet in seinem YouTube-Video, die Weltgesundheitsorganisation WHO werde zu 80 Prozent von der Bill & Melinda Gates Stiftung finanziert - "Er kauft sich überall ein". Das ist falsch. Zwar ist die Gates-Stiftung nach WHO-Angaben ihr zweitgrößter Spender (nach den USA), die Spenden machen aber lediglich 11,41 Prozent des WHO-Budgets aus. Auch wenn man die Spenden der Gavi Impfallianz addiert, die sich auf 6,49 Prozent belaufen, kommt man nicht auf die von Jebsen behaupteten 80 Prozent. Gavi wurde von der Gates-Stiftung gegründet und wird teilweise von ihr mitfinanziert.
Screenshot WHO
Zweite Behauptung: Bill Gates lenkt die Bundesregierung
Die WHO ist in Jebsens Welt nicht die einzige Organisation, durch welche Bill Gates angeblich die Menschheit steuern will. Jebsen behauptet, die Gates-Stiftung hätte sich auch die Loyalität der Bundesregierung erkauft. Beweise liefert er für diese Aussage nicht, legt nur nahe, dass viele Berater der Bundesregierung in der Corona-Krise auf der „Gates-Lohnliste“ stehen würden. Als Beispiele nennt er Christian Drosten, den Chefvirologen der Berliner Charité, und das Robert-Koch-Institut. Es ist zwar richtig, dass sowohl Drosten als auch das RKI für wissenschaftliche Projekte Zuwendungen der Gates-Stiftung bekommen haben. Aber dabei geht es um einzelne Projekte und nicht das ganze Gehalt bzw. Budget der Betreffenden. Und Jebsen legt nicht dar, wie er aus der Tatsache, dass einzelne, wenn auch wichtige, Berater für einzelne Projekte Geld von Gates bekommen haben, auf den Schluss kommt, dass die Bundesregierung in der Corona-Krise "höchstbefangen" sei.
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Dritte Behauptung: Gates will die Weltbevölkerung zwangsimpfen
Auch stellt Jebsen die Behauptung auf, das Ehepaar Gates hätte es sich zur Aufgabe gemacht, die ganze Welt zwangsimpfen zu lassen. Der Plan hinter dieser "Impfpflicht durch die Hintertür" sei es, jeden Menschen mit Mikrochips zu versehen und damit digital zu versklaven. Es gibt allerdings keinen einzigen Anhaltspunkt, der diese These stützt. Jebsen liefert in dem Video auch selbst keine "Beweise". Weder finanziert die Gates-Stiftung ein Projekt, das Mikro-Chips entwickelt, noch plant sie, Bewegungen durch digitale Zertifikate nachzuverfolgen. Das bestätigte die Stiftung noch einmal auf Anfrage der Nachrichtenagentur Reuters.
Vierte Behauptung: Frauen in Dritte-Welt-Ländern wurden durch Zwangsimpfungen sterilisiert
Jebsens behauptet auch, die WHO und die Gates-Stiftung hätten in Afrika und Indien durch Impfungen bereits tausende Frauen zwangssterilisiert, um der Überbevölkerung entgegenzuwirken. Sie ist ebenso aus der Luft gegriffen wie falsch. Sie fußt auf der Erklärung einer Gruppe katholischer Bischöfe in Kenia aus dem Jahr 2014, in der behauptet wurde, dass durch ein Tetanus-Impfprogramm für Frauen versucht werde, sie massenhaft zu sterilisieren. Die Bischöfe behaupteten, der Impfstoff beinhalte das Antischwangerschaftshormon Choriongonadotropin, das Frauen sterilisieren würde. Das österreichische Fake-News-Korrektiv „Mimikama“ zitierte in einem Fact-Checking der kruden Sterilisations-Behauptung den WHO-Abgesandten für Kenia, Rudi Eggers. Laut dessen Aussage ist das Hormon nicht einmal Bestandteil des Tetanus-Impfstoffs.
Fünfte Behauptung: Die Bundesregierung plant eine Impfflicht
Weiter behauptet Jebsen in seinem YouTube-Video, dass die Bundesregierung eine Impfpflicht plane. Das ist eine Behauptung, die in den vergangenen Tagen viel verbreitet wurde und schlicht nicht den Tatsachen entspricht. Als vermeintlichen Beleg führen Verfechter dieser These einen Gesetzesentwurf der CDU/CSU an: Den „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ des Bundeskabinetts. Der sah einen sogenannten Immunitätsnachweis vor, mit dem Bürger, die das Virus bereits überstanden haben und damit immun sind oder geimpft wurden, mehr Bewegungsfreiheit gegeben werden. Doch der Vorschlag wurde wegen der drohenden Gefahr der Diskriminierung von Nicht-Immunen schnell verworfen. Der Immunitätsnachweis steht nicht mehr zur Debatte. Von einer Impfpflicht war nie die Rede.
Sechste Behauptung: Das Coronavirus ist nur eine „harmlose Grippe“
Dass das Coronavirus nur eine „harmlose Grippe“ sei, ist die wohl gefährlichste unter allen Falschbehauptungen Ken Jebsens. Er nennt das Virus ein „trojanisches Pferd“ und sagt, es sei „nicht so schlimm, wie es immer prophezeit wird“. Das ist falsch. Der Unterschied zwischen einer Grippe und dem neuartigen Virus Sars-CoV-2 besteht schon allein darin, dass das Virus neuartig ist. Gegen die meisten Influenza-, also Grippeviren ist unser Immunsystem schon weitgehend immun, sagt das Europäische Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC). Anders sei es bei Sars-CoV-2. Der neue Erreger treffe das Immunsystem völlig unvorbereitet. Außerdem gibt es im Gegensatz zu Influenza gegen Covid-19 keine Impfstoffe und Behandlungsmittel. Zudem lassen die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse laut WHO anmuten, dass es bei Covid-19 deutlich mehr schwere Infektionsverläufe gibt, als bei einer Grippe.
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Siebte Behauptung: Die Berliner Polizei hat Menschen bei einer Hygiene-Demo verhaftet
Außerdem erzählt Jebsen im Video von angeblichen Verhaftungen bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen am 1. Mai in Berlin. Er sagt, die Berliner Polizei habe bei der Demo Menschen „verhaftet, weil sie das Grundgesetz offen bei sich trugen“. Die Polizei hätte das Grundgesetz „eine unerlaubte politische Meinungsäußerung“ betitelt, sagt der ehemalige RBB-Moderator. Doch verhaftet wurde bei der Demonstration am Rosa-Luxemburg-Platz ganz offensichtlich niemand. Aus einer Pressemitteilung der Polizei Berlin geht hervor, dass an diesem Tag 91 Identitätsfeststellungen, Ordnungswidrigkeitsanzeigen und Strafverfahren ausgestellt wurden. Aus dem Bericht geht hervor, dass diese wegen Verstößen gegen die Corona-Verordnung und das Infektionsschutzgesetz durchgeführt wurden und nicht, weil jemand das Grundgesetz in die Höhe hielt.
Jebsen ist Aktivist und kein Journalist
Jebsen sagt, er sei Journalist, er habe schließlich einen Presseausweis. Auf seiner Website nennt der Deutsche Journalisten Verband die Kriterien für einen solchen Ausweis. Unter anderem: "Mitglied kann auch werden, wer als frühere/r hauptberufliche/r Journalist/in publizistisch arbeitet, sofern er/sie kein Arbeitseinkommen aus nichtjournalistischer Tätigkeit bezieht." Jebsens frühere journalistische Tätigkeit beim RBB reicht also aus. Und Journalist ist kein rechtlich geschützter Bezeichnung. Aber wer die Enteignung von Privatleuten, deren Festnahme durch einen internationalen Haftbefehl und Widerstand gegen dem Allgemeinwohl dienende Regeln fordert, hat eine persönliche Agenda und dürfte höchstens als Aktivist gelten.
www.focus.de/kultur/medien/aussagen-im-f...sch_id_11979155.html
Gruß Mitstreiter