Wie vermutlich zu erwarten war, hier die ablehnende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts:
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Keine Erhöhung der Leistungen der Conterganstiftung für die Jahre 2004 bis 2012
Die Leistungen der Conterganstiftung an durch Contergan schwerstgeschädigte Menschen müssen für die Jahre 2004 bis 2012 nicht erhöht werden. Ausgestaltung und Bemessung der gesetzlichen Entschädigungsleistungen nach dem Conterganstiftungsgesetz widersprechen nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Zweck der Stiftung. Sie sind auch mit dem Grundgesetz, insbesondere dem Sozialstaatsprinzip, vereinbar. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.
Der Kläger kam im Jahre 1961 mit Fehlbildungen an allen vier Gliedmaßen und Schädigungen an inneren Organen zur Welt. In der Folgezeit zeigten sich weitere Schäden. Seine Mutter hatte während der Schwangerschaft das Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan der Firma Grünenthal eingenommen. Der Kläger bezieht seit ihrer Errichtung Leistungen der „Conterganstiftung für behinderte Menschen“ (bis 2005: Stiftung „Hilfswerk für behinderte Kinder“). Wegen der Schwere seines Körperschadens ist der Kläger der höchsten Schädigungsstufe zugeordnet, die die Richtlinien für die Stiftungsleistungen jeweils festlegen. Er erhält die gesetzlich vorgesehene Höchstrente und den Höchstbetrag der im Jahre 2009 eingeführten jährlichen Sonderzahlung.
Der Kläger begehrt von der beklagten Stiftung für die Zeit ab 2004 eine Verdoppelung dieser Stiftungsleistungen. Spätestens seit Ende 2003 sei deutlich geworden, dass die Leistungen nicht ausreichten, um die besonderen Belastungen und die spezifischen Bedarfe insbesondere der durch Contergan Schwerstgeschädigten angemessen auszugleichen und den Versorgungsdefiziten zu begegnen, die sich für diesen Personenkreis ergäben. Spät- und Folgeschäden seien nicht erfasst. Das Ziel des Stiftungsgesetzes, den geschädigten Menschen wirksam und dauerhaft Hilfe zu leisten, werde durch die Stiftung nicht erfüllt. Zudem könne sich die Stiftung ihrer Aufgabe nicht unabhängig und autonom widmen, weil die Richtlinien für die Leistungsbemessung durch ein Bundesministerium erlassen würden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil das Begehren im Stiftungsgesetz keine Grundlage finde und das Gesetz auch verfassungsgemäß sei. Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit für die Zeit ab 1. Januar 2013 für erledigt erklärt, nachdem der Gesetzgeber die laufenden Renten rückwirkend zum 1. Januar 2013 verfünffacht hatte.
Der 10. Revisionssenat hat entschieden, dass es für die begehrten Leistungen keine Rechtsgrundlage gibt. Der Kläger hat wegen der Schwere seines Körperschadens und der hierdurch hervorgerufenen Körperfunktionsstörungen jeweils die nach dem Stiftungsgesetz bzw. den im Einklang mit dem Gesetz vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beschlossenen Leistungsrichtlinien höchstmöglichen Leistungen erhalten. Die vom Kläger geltend gemachten Verstöße gegen den Gleichheitssatz oder das Stiftungsrecht könnten selbst dann, wenn ihr Vorliegen zu Gunsten des Klägers unterstellt würde, keine Überschreitung der gesetzlichen Leistungshöchstgrenzen rechtfertigen.
Das gesetzliche Leistungssystem verstößt auch nicht gegen das Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 1976 die Ablösung der privatrechtlichen Schadenersatzansprüche gegen die Firma Grünenthal durch die öffentlich-rechtlichen Stiftungsleistungen, die Strukturen der Stiftung und die Grundzüge der Leistungsbemessung als verfassungsgemäß bestätigt. Als besondere Leistungen des sozialen Entschädigungsrechts dienen die Stiftungsleistungen vor allem dem Nachteilsausgleich und der sozialen Hilfe für die durch Contergan Geschädigten. Bei derartigen Leistungen, die nicht strikt bedarfsorientiert der Sicherung des Grundrechts auf ein menschenwürdiges Existenzminimum dienen, kommt dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Für einen Verfassungsverstoß durch unterlassene Nachbesserung eines Gesetzes muss evident sein, dass eine ursprünglich rechtmäßige Regelung wegen zwischenzeitlicher Änderung der Verhältnisse verfassungsrechtlich untragbar geworden ist; der Gesetzgeber muss gleichwohl weiterhin untätig geblieben sein oder offensichtlich fehlsame Nachbesserungsmaßnahmen getroffen haben.
Dies lässt sich vorliegend nicht feststellen. Der Gesetzgeber hat auf Hinweise, es komme zu einer spürbaren Unterversorgung durch Contergan geschädigter Menschen, im Jahre 2008 durch eine Verdoppelung der Renten und die Einführung einer jährlichen Sonderzahlung im Jahre 2009 reagiert. Zugleich hat er eine umfassende Untersuchung der Lebenslage der Geschädigten in die Wege geleitet, deren Endbericht im Dezember 2012 vorgelegt worden ist. Das Untersuchungsergebnis hat der Gesetzgeber zum Anlass für eine deutliche Erhöhung der laufenden Leistungen und die Einführung von Leistungen bei besonderen Bedarfen genommen. Eine sozialstaatswidrige Unterversorgung von durch Contergan Geschädigten - auch in den anderen Systemen sozialer Sicherung - musste sich dem Gesetzgeber auch nicht spätestens seit 2004 so aufdrängen, dass er die Leistungen hätte erhöhen müssen. Die deutliche Leistungserhöhung ab 1. Januar 2013 ist zur Verbesserung der Situation der betroffenen Menschen erfolgt und hat nicht der Beseitigung eines Verfassungsverstoßes gedient.
BVerwG 10 C 1.14 - Urteil vom 19. Juni 2014
Vorinstanz:
VG Köln 26 K 4264/11 - Urteil vom 17. Januar 2013