Christian Stürmer
Mitglied im Stiftungsrat der Conterganstiftung
(Betroffenenvertreter)
73760 Ostfildern, Weiherhagstr. 6, Telefon: 017670967290
An den Vorstand
der Conterganstiftung
cc. Stiftungsrat
Darstellung der Leistungen auf der Homepage der Stiftung (CIP)
Sehr geehrte Damen und Herren
Ich komme auf die heute erfolgte Eröffnung einer von der Stiftung gepanten Reihe von Darstellungen bezüglich der Stiftungsleistungen zurück (
contergan-infoportal.de/) - in Anlage.
Hierzu muss ich dringend anmerken:
Als Conterganbetroffener und Betroffenenvertreter ist die einseitige Darstellung unerträglich.
Sie wissen, dass der Staat den Contergangeschädigten mit § 23 des Errichtungsgesetzes der Stiftung sämtliche Ansprüche der Geschädigten gegen die Firma Grünenthal und Angestellten zum Erlöschen gebracht hat. Hiernach standen die Geschädigten ohne jeden Anspruch gegen die Schädiger da und wurden "mit einem Butterbrot“ - beziffert: mit Maximalrenten von 450 DM - zu den Sozialkassen geschickt.
Es ist zwar richtig, dass die Stiftung nach ihrer Gründung zusätzlich noch die Aufgabe erhielt, Zuschüsse an Projekte generell im Behindertenbereich zu gewähren, allerdings waren die monatlichen Leistungen (Renten) ausschließlich auf Contergangeschädigte beschränkt. Man ging anlässlich der seinerzeitigen anstehenden Leistungsauskehrungen für die Conterganbetroffenen schlichtweg davon aus, dass die Conterganbetroffenen nicht sehr lange leben und hat der Stiftung gleich perspektivisch eine zusätzliche Aufgabe im allgemeinen Behindertenbereich zugewiesen. Das gesamte Errichtungsgesetz behandelt mit Ausnahme der vorgenannten Zuschussmöglichkeiten für Projekte alleine die Contergangeschädigten.
Die conterganspezifischen Renten betrugen bis zum 1.7.2008 maximal 545 Euro. Hierbei handelte es sich um den Höchstsatz - also für die schwerstgeschädigten Menschen,
Das bedeutet 36 Jahre Unterversorgung. Insbesondere wurden unsere Eltern finanziell komplett alleine gelassen.
"Verantwortungsübernahme" sieht anders aus!
Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Conterganstiftungsgesetzes vom 26.06.2008 wurden die Renten dann auf mtl. 1090 Euro erhöht und damit verdoppelt, aber erst mit dem 3. Conterganstiftungsänderungsgesetz im Jahr 2013, also rd. 41 Jahre nach Stiftungsgründung auf eine Höhe gestellt, dass die Betroffenen damit ein selbstbestimmtes Leben zu führen in der Lage sind.
Ich bitte dringend um eine historisch korrekte Darstellung und darum, die exorbitante Schuld des Staates bezüglich der contergangeschädigten Menschen nicht schön zu schreiben.
Ich verweise übrigens auf die vom Gerentologischen Institut der Universität Heidelberg erstellte Expertise und bitte diese, wie es Beschlusslage ist, in diesem Jahr zu veröffentlichen. Dies ist gerade angesichts der aktuellen Vorkommnisse unbedingt erforderlich.
Der Staat hat nicht nur seine Schutzpflichten verletzt und sich schützend vor die pharmazeutische Industrie gestellt. So sind 4 Gesetzgebungsversuche zum Erlass eines Arzneimittelschutzgesetzes, insbesondere aufgrund des Einflusses der pharmazeutischen Industrie gescheitert. Zudem wurden die bestehenden Vorschriften damals nicht hinlänglich angewandt. Durch das Vorstehende wurde der Conterganskandal erst ermöglicht. Und selbst nach Eintritt der Conterganschäden hat der Staat, wie oben schon ausgeführt ,noch weiter gemacht: Anstatt Grünenthal im Zuge im Zuge des Stiftungsgesetzes mit zu verpflichten und adäquate Leistungen auszukehren, wurden den Geschädigten mit § 23 Abs. 1 sogar sämtliche Ansprüche gegen Grünenthal, deren Eigentümer und Angestellten ausgeschlossen.
Natürlich hat sich auch viel zum Positiven verändert. Das kann und muss auch erwähnt werden. Allerding muss die historische Wahrheit auch beim Namen genannt werden!
Als Betroffenenvertreter fordere ich die umgehende Entfernung des hier angesprochenen Artikels von der Homepage der Stiftung. Gerne kann ein neuer Artikel unter Beteiligung der Betroffenenvertreter erarbeitet werden.
Ich muss mir eine Thematisierung auf der kommenden Stiftungsratssitzung vorbehalten!
Mit freundlichen Grüßen
Christian Stürmer
Am 05.09.2022 um 12:34 schrieb Conterganstiftung Geschäftsstelle:
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> Sehr geehrte Damen und Herren,
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> am 31. Oktober 1972 vom Deutschen Bundestag als „Hilfswerk für behinderte Kinder" ins Leben gerufen, begeht die Conterganstiftung nun in Kürze ihr 50. Jubiläum.
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> Die Leistungen der Conterganstiftung haben sich im Laufe der Jahre immer weiterentwickelt. Aus diesem Grund haben wir die wichtigsten Entwicklungen der Conterganstiftung in kurzen Überblicksmeldungen zusammengetragen. Diese werden wir sukzessive bis zum Jahrestag der Stiftungsgründung jeweils montags und freitags auf der Startseite des Contergan-Infoportals (
www.contergan-infoportal.de) veröffentlichen.
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> Die erste Meldung können Sie dort ab sofort nachlesen.
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> Mit freundlichen Grüßen
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> Ihre Geschäftsstelle des Vorstandes
> der Conterganstiftung
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