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THEMA: »Man hat uns an einer Beteiligung gehindert«

»Man hat uns an einer Beteiligung gehindert« 14 Dez 2016 19:47 #42655

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»Man hat uns an einer Beteiligung gehindert«
Bundestag berät über Änderung des Conterganstiftungsgesetzes. Vertreter der Betroffenen sollen weiter entmachtet werden. Gespräch mit Christian Stürmer
Interview: Claudia Wrobel
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Foto: Wolfgang Rattay/Reuters

Christian Stürmer ist Betroffenenvertreter der Opfer im Stiftungsrat der Contergan-Stiftung und Bundesvorsitzender des Contergannetzwerkes Deutschland e. V.
Am heutigen Donnerstag steht die Änderung des Conterganstiftungsgesetzes auf der Tagesordnung des Bundestags. Doch bevor wir uns darüber unterhalten, warum der Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD aus Sicht der Geschädigten eine weitere Verschlechterung ist, erklären Sie uns doch bitte, welche Aufgaben die Stiftung hat.

Die Contergan-Stiftung verwaltet das Geld der Geschädigten. Sie ist unterteilt in einen Vorstand und einen Stiftungsrat. Der Vorstand entscheidet zum Beispiel, ob die Menschen Geld bekommen, wenn sie spezifische Bedarfe haben, wie Kuren, Hilfsmittel oder so etwas. Eine Widerspruchsstelle gibt es nicht.

Welche Rolle hat die BRD in dem Verfahren?

Wichtig ist zu wissen, dass der Staat eine beträchtliche Mitschuld an dem Skandal hatte: Er hatte es versäumt, zuverlässige Arzneimittelschutzgesetze zu erlassen. Erst mit den Römischen Verträgen war das Land gezwungen, diese umzusetzen. Zuvor waren vier Gesetzgebungsverfahren aufgrund des Einflusses der Pharmaindustrie gescheitert.

Woher kommt das Geld?

Nachdem der Contergan-Skandal öffentlich wurde, stand fest, dass die Firma Grünenthal an die Geschädigten 100 Millionen DM zahlt. Das Geld ist in die Stiftung geflossen, und mit dem Errichtungsgesetz der Stiftung bedeutete das auch, dass damit sämtliche Ansprüche der Kinder gegenüber dem Pharmaunternehmen, seinen Eigentümern und Angestellten getilgt sind. Es war also klar, dass den Geschädigten Geld zusteht, trotzdem sind wir über viele Jahrzehnte an die Sozialämter verwiesen worden. Die Geschädigten mussten dort betteln gehen.
Beilage Behindertenpolitik, heute

Ist das Geld aus der Stiftung denn nicht weitergegeben worden?

Doch, aber dadurch waren die Mittel irgendwann verbraucht, und die Renten, die die Contergan-Opfer bekommen haben, betrugen 100 bis 200 Euro – waren also sehr gering. Erst mit dem zweiten Contergan-Stiftungsänderungsgesetz wurden sie angehoben. Außerdem zahlt der Staat mittlerweile jährlich 30 Millionen Euro in die Stiftung ein.

Haben Sie denn ein gutes Mitspracherecht als Vertreter der Geschädigten?

Die Rolle des Stiftungsrates hat sich stark verändert. Phasenweise sollte die Stiftung auch Gelder für andere Gruppen behinderter Menschen verwalten. Da war der Rat sehr breit aufgestellt, mit zig sozialen Organisationen. Als die Renten der Contergan-Geschädigten erhöht wurden, konzentrierte sich auch die Stiftung nur noch auf sie. Im Zuge dessen wurden die anderen Organisationen aus dem Stiftungsrat rausgenommen. Übrig blieben drei Vertreter der Ministerien, die zwei Betroffenenvertretern gegenübersitzen. Damit begann das ganze Übel.

Wie wird dort mit Ihnen umgegangen?

Das ist ein regelrecht autokratisches Verhältnis. Die Mehrheit macht, was sie möchte. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir haben Anspruch auf sämtliche Informationen der Stiftung, was ja auch klar sein sollte. Die Gutachten zur Evaluation des Gesetzes, die alle zwei Jahre gesetzlich vorgeschrieben ist, wurden uns erst nach einem Verfahren zur einstweiligen Verfügung rausgegeben – da war die Evaluation bereits vorbei. Indem man uns diese Akten bewusst vorenthalten hat, hat man uns an einer Beteiligung gehindert. Ich hätte mir nicht vorstellen können, wie man seine Macht so rigide gegen behinderte Menschen ausspielen kann.

Sie haben also kaum Möglichkeiten der Partizipation. Welche Änderungen sieht der Gesetzentwurf nun noch vor?

Man hätte keine Änderung gebraucht, um das Geld an die Leute auszuzahlen. Trotzdem wurden sich selbst rigide Vorschriften auferlegt und so nur ein Bruchteil des Möglichen ausgezahlt. Deshalb sollen die Leistungen nun pauschaliert werden. Jeder Geschädigte soll einen Sockelbetrag von 4.800 Euro bekommen. Damit werden auch gerade die Betroffenen mit Spät- und Folgeschäden erreicht.

Aber das klingt doch nach einer Verbesserung?

Sie haben uns ein Zückerchen hingehalten, denn gleichzeitig soll die Struktur der Stiftung hintenherum komplett verändert werden. Wir Betroffenenvertreter sind unbequem. Der Stiftungsrat soll weiter entmachtet werden. Die alleinige Entscheidungshoheit über alles soll beim Vorstand liegen. Dann könnte man die Auszahlung aber auch normalen Ämtern zuweisen. Das adäquate Mitspracherecht der Opfer ist wichtig. Und das ist auch das, was damals mit unseren Eltern vereinbart wurde.
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