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Unzureichende Hilfe: Contergan-Opfer fordern bessere Versorgung
Sie kämpfen mit verschlissenen Gelenken und chronischen Schmerzen: Die Opfer des Contergan-Skandals sind nach einer aktuellen Studie in vielen Bereichen unterversorgt. Jetzt fordert der Opferverband ein neues Gesetz, um das Versorgungssystem zu verbessern.
Berlin - Lange Zeit forderten sie eine Entschuldigung vom Arzneimittelhersteller Grünenthal. Diese kam - nach mehr als 50 Jahren. Jetzt haben Contergan-Opfer eine schnelle Verbesserung ihrer medizinischen Versorgung und finanziellen Lage verlangt. "Uns läuft die Zeit davon", sagte die Vorsitzende des Bundesverbands Contergan-Geschädigter, Margit Hudelmaier, am Montag in Berlin.
Denn nach Angaben einer aktuellen Studie der Universität Heidelberg zur Situation von Contergan-Opfern sind die Betroffenen in vielen Bereichen unterversorgt. Die Studie zeige, so Hudelmaier, dass es sich um begründete Ansprüche und keine subjektiven Begehrlichkeiten handele. Der Opferverband fordert ein neues Gesetz.
Auch die Conterganstiftung steht hinter den Empfehlungen der Studie: "Wir hoffen auf eine möglichst weitgehende Umsetzung", sagte die Vorstandsvorsitzende Antje Blumenthal. An diesem Freitag beschäftigt sich der Familienausschuss des Bundestags mit der Studie.
"Die Betroffenen haben in den vergangenen Jahrzehnten beeindruckende Kompensationsleistungen vollbracht. Wenn diese auch in Zukunft fortgesetzt werden sollen, bedarf es eines sehr viel differenzierteren, passgenauen Versorgungssystems", sagte der Leiter des Heidelberger Instituts für Gerontologie und Hauptautor der Studie, Andreas Kruse, der dpa. Durch das Fehlen einzelner Gliedmaßen beanspruchten Betroffene andere Körperteile übermäßig. Bei vielen seien massive Verschleißerscheinungen der Gelenke wie Arthrosen und starke Schmerzen die Folge. "Diese Zustände werden in Zukunft wahrscheinlich an Intensität gewinnen", ergänzte Kruse.
Schmerzen durch dauernde Fehlhaltung
Etwa jedes dritte der überwiegend 53-jährigen Opfer könne nicht mehr arbeiten. Mit zunehmenden Beschwerden bräuchten die Betroffenen aber immer teurere Hilfsmittel und Umbauten in den Wohnungen. Zu den Empfehlungen zählen daher neben mehr Geld auch neue Kompetenzzentren für eine bessere medizinische Versorgung, ein leichterer Zugang zu Assistenzen und Hilfsmitteln - unabhängig von familiären und finanziellen Verhältnissen. Die gesundheitliche Entwicklung vieler Geschädigter stehe an einem Wendepunkt. Eine rasche Verbesserung der Versorgung sei dringend notwendig. Angehörige um Hilfe zu bitten, werde zunehmend schwerer, ergänzte Hudelmaier. Die meisten Eltern der Opfer seien heute mehr als 80 Jahre alt und die eigenen Kinder oft aus dem Haus. Zudem habe nicht jeder Betroffene einen Partner.
Für die auf Beschluss des Bundestags erstellte Studie wurden 870 Betroffene und damit ein Drittel der noch lebenden Contergan-Opfer in Deutschland befragt. Fast jeder Betroffene (84,2 Prozent) klagt demnach über Schmerzen als Folge ständiger Fehlhaltung. "Unsere Körper sind vorzeitig gealtert", sagte Hudelmaier.
Bei dem größten Medikamenten-Skandal der deutschen Nachkriegsgeschichte hatte die Firma Grünenthal 1957 das Schlafmittel Contergan auf den Markt gebracht. In Deutschland kamen etwa 5000 Kinder mit schweren Missbildungen vor allem an Armen und Beinen zur Welt.